„Die Architektur ist die Mutter aller Künste“, also sollten Städtebau und Stadtplanung deren Werkmeister sein. Karlsruhe erlebt, wie andere Großstädte in Metropolregionen auch, einen stetigen Bevölkerungszuwachs. Gleichzeitig wächst der Wert des Wohnraums. Grob gesagt: Mieten, Bodenpreise und Bauherstellungskosten steigen. Die Begehrlichkeiten Privater auf den sogenannten öffentlichen Raum wachsen natürlich auch. Der „öffentliche Raum“ wiederum, soll ein Aufenthaltsort sein, ein Kern der Demokratie, da auf ihm Kommunikation genauso wie Kontemplation gepflegt werden kann und soll. Die Stadt – die Polis – kann und soll, auch in unsteten Zeiten, Antworten geben auf ökonomische wie auf gesellschaftlich bedingte Entwicklungen. In Fragmenten versucht das Sanierungsvorhaben Innenstadt-Ost diesem Auftrag gerecht zu werden. Denn die klassische Polis hat doch einen anderen Gestaltungs-Freiraum für ihre Bürger als ein Einzelhandelsfilialist im Verhältnis zu seinem Mutterkonzern.

Als der Markgraf Karl Wilhelm seinerzeit den Auftrag zum Bau der Stadt gab, war ihm die Kontrolle seiner Untertanen genauso wichtig wie sein vom Schloss aus ausstrahlender Glanz. Ebenso verhielt es sich mit seinen ihm nachfolgenden Großherzögen. Vom Schlossturm aus, die Stadt zu ihren Füßen, konnten sie sehen, was der Untertan so tat und trieb. In einer demokratisch verfassten Gesellschaft sollte dies natürlich gänzlich anders sein. Wäre da nicht ein neuer Fürst, eine neue Religion, der sich (fast) alles unterwirft, was planen und gestalten kann. In dieser neuen Religion wird der Bürger durch den Konsument ersetzt, der Fürst trägt nun den Namen Investor. Der städtischen Verwaltung und ihrer demokratischen Kontrollinstanz, dem Gemeinderat, hat man zur Pflege des Gemütszustands der Investoren die „schwarze Null“ als oberste Handlungsmaxime verpasst. Es sei denn, die Investoren haben andere Wünsche.

Ein städtisches Zentrum, die sogenannte Innenstadt, muss mehrheitlich aus Wohnraum und öffentlichem Raum bestehen. Natürlich sollte dieser durch innerstädtischen Handel und Handwerk/Dienstleister versorgt werden. Werden Wohnraumflächen aber überproportional in Gewerbe- und Verwaltungsflächen um-genutzt, stirbt jede Stadt. Sie ist dann lediglich Verkaufs- und Präsentationsfläche. Dies sollte jede Stadtplanung, jedes Sanierungsvorhaben beachten. Sieht man auf die Karlsruher Altstadt, wird schnell ersichtlich, dieser Stadtteil, dieses Quartier, hat keinen zentralen Platz, der von den Quartiersbewohner*innen angenommen wird. Kein wirtlicher Platz auf dem Austausch und Kontemplation stattfindet. (Der Lidell-Platz hätte alle Voraussetzungen dafür.) Das hat natürlich mehrere Gründe. Hauptgrund ist die Neugestaltung des Dörfles in den 70er Jahren. Auffällig aber auch ist die Nutzung unzähliger Gebäude im Gebiet Innenstadt-Ost als Verwaltungseinheiten. Ob Stadtkasse, oder Hochbauamt und vielen anderen Ämtern und Büros ist eines gemein: Sie haben weder Publikumsverkehr noch eine wichtige Funktion in Bezug zum Stadtteil. Die dort angesiedelten Arbeitsplätze verursachen Verkehrsströme in die Innenstadt, da die in den Büros und Ämtern arbeitenden Menschen aus den unterschiedlichsten Wohnorten zu ihrem Arbeitsplatz kommen. Dieser Umstand setzt sich auch westlich des Marktplatzes mit dem sogenannten Technischen Rathaus fort. Genau in diesem Bereich könnte das Sanierungsvorhaben Innenstadt-Ost auf Wohnraummangel Antwort geben. Durch die (energetische) Sanierung und die Zweckumwandlung vormaliger Büros in Wohnraum. Die genannten Verwaltungseinheiten (u.v.m.) könnten zentral an der Peripherie der Stadt zusammengefasst werden, was die Lenkung der durch sie verursachten Verkehrsströme stark erleichtern würde.

Auch die Möglichkeit des Dachgeschossausbaus und der dadurch möglichen energetischen Sanierung einzelner Mehrgeschosshäuser wird weder propagiert, noch sind dazu Modelle entworfen. In der Stadt Karlsruhe stehen hunderte, wenn nicht gar tausende Speicherräume unter den Dächern von Mehrgeschosshäusern fast ungenutzt und haben dazu eine unschöne Funktion als Wärmeenergietrichter. Im Winter entweicht durch sie die Heizenergie der Häuser, im Sommer heizen sich die jeweiligen Häuser auch durch ihre schlecht isolierten Speicherflächen auf. Meist bieten diese Altbauten dazu noch die Möglichkeit -  im Rahmen der Dachgeschosssanierung -  einen Fahrstuhl im Hinterhof des jeweiligen Hauses zu installieren, was jeder Wohneinheit des aufgestockten Hauses zugutekäme. Stichwort: „Alternde Gesellschaft“ und „Behindertengerecht“. Energetischer Dachgeschossausbau schafft zudem sehr kostengünstigen Wohnraum. Abgesehen von etwaiger staatlicher Förderung, sind die Bauentstehungskosten relativ gering, da ja bereits alle Hausanschlüsse vorhanden sind und zudem die Bodenfläche des jeweiligen Hauses schon bezahlt ist. Es würden, zwar durch die jeweils unterschiedlichen Dachschrägen leicht eingeschränkte Wohnräume entstehen, die jeweils große Grundfläche würden diesen Umstand jedoch leicht wettmachen. Es entstünden große „bezahlbare Wohnungen“. Es würde weder Boden versiegelt, noch Hinterhof-Grünflächen plattgemacht. Keine Bäume müssten gefällt werden und zudem würde der Wert des jeweiligen Hauses enorm gesteigert werden.

Klaus Lustig & Malfadino D. Jodokus

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